Als um 1116 in der Backnanger Pfarrkirche ein Augustiner-Chorherrenstift eingerichtet wurde und die Chorherren die Stiftskirche exklusiv nutzen wollten, ließen die Markgrafen von Baden etwas unterhalb für die Backnanger Bevölkerung eine neue Pfarrkirche errichten, die 1122 dem heiligen Michael geweiht wurde. Bei der teilweisen Zerstörung von Backnang durch Heinrich von Neuffen im Zuge der Auseinandersetzungen zwischen Kaiser Friedrich II. und seinem Sohn Heinrich (VII.) im Jahr 1235 dürfte auch die Michaelskirche schwer in Mitleidenschaft gezogen worden sein. Glanzstück der wiederaufgebauten Michaelskirche, die zu den ersten gotischen Kirchen in Deutschland gehörte, war zweifelsohne der Turmchor mit seinem polygonalen Grundriss, den höchst originellen Kapitellen und dem neunstrahligen Gewölbe.
Der gotische Chor wurde auf Initiative eines Fördervereins 2003/04 aufwändig saniert und kann noch heute im unteren Teil des Stadtturms bewundert werden. Nach der Einführung der Reformation im Jahr 1534 verlor die Michaelskirche ihre Funktion als Pfarrkirche, da die Backnanger Bevölkerung nach der Auflösung des Augustiner-Chorherrenstifts nun in die Stiftskirche zum Gottesdienst ging. Der Kirchturm der ehemaligen Michaelskirche wurde 1614/15 von Landesbaumeister Heinrich Schickhardt zum Stadtturm ausgebaut. Das Kirchenschiff ließ man nach dem Stadtbrand von 1693 als Ruine liegen.
Ende des 18. Jahrhunderts verschlechterte sich die räumliche Situation in der Backnanger Volksschule aufgrund steigender Schülerzahlen dramatisch, sodass man den Neubau eines Schulgebäudes nicht mehr aufschieben konnte. Bei der Suche nach einem geeigneten Platz kam man auf die Idee, an Stelle der kurz zuvor beseitigten Ruine des Kirchenschiffs der ehemaligen Michaelskirche ein Schulhaus an den Stadtturm anzubauen. Das sogenannte Turmschulhaus wurde in den Jahren 1816/17 errichtet und diente danach bis 1992 als Schulgebäude. Seit 1997 ist im Turmschulhaus die Galerie der Stadt Backnang untergebracht. Auf rund 450 Quadratmetern bietet sie Künstlern Möglichkeiten zu Ausstellungen oder zur speziellen Auseinandersetzung mit den historischen Räumlichkeiten. Die Galerie verfügt über ein ambitioniertes Ausstellungsprogramm, das zumeist aktuelle, internationale und junge Positionen zeigt. Während den Öffnungszeiten besteht auch die Möglichkeit, den Stadtturm zu besteigen und von oben den Blick auf Backnang zu genießen.