Kommunale Wärmeplanung

Energieleitplanung in Backnang

Mit der Erstellung des Konzepts zur kommunalen Wärmeplanung (KWP) in der Version 1.0 unternimmt die Stadt Backnang einen wichtigen Schritt zur schrittweisen Transformation der lokalen Wärmeversorgung und kommt damit mehreren klimapolitischen Forderungen auf Bundesebene und Landesebene nach.Die KWP ist ein strategisch-planerisches Instrument zur Transformation der Wärmeversorgung in Städten, Gemeinden und Regionen. Sie trägt im Wesentlichen dazu bei, die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger und die Sanierung des Gebäudebestands schrittweise  voranzubringen. Mit  der  KWP   werden  Wärmebedarf   und  -verbrauch einer Kommune räumlich analysiert und Potenziale für eine effiziente und klimafreundliche Wärmeversorgung identifiziert. Nach §7d des Klimaschutzgesetztes Baden- Württemberg (KSG BW) ist die Stadt Backnang verpflichtet bis zum 31.12.2023 die erste Stufe der Kommunalen Wärmeplanung gegenüber dem Land Baden-Württemberg vorzulegen.Link zum Land BW: Kommunale Wärmeplanung: Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg (baden-wuerttemberg.de)
Link zur KEA-BW: Häufige Fragen und Antworten | Wärmewende (kea-bw.de)

Der Bund hat während der Bearbeitungszeit des vorliegenden Kommunalen Wärmeplan am 8.  September 2023 das Gebäudeenergiegesetz (GEG), sowie im Kabinett am 16. August 2023 das Wärmeplanungsgesetz (WPG) beschlossen. Nach dem WPG des Bundes hat die Stadt Backnang bis zum 30.06.2028 einen Kommunalen Wärmeplan zu erstellen. Nach derzeitigem Stand werden gemäß Landesrecht erstellte Wärmepläne nicht dem künftigen Bundesrecht widersprechen. Der Kommunale Wärmeplan ist sowohl nach dem KlimaG BW als auch nach dem WPG ein informeller Plan und löst damit nicht unmittelbar die Anwendung des GEG bzgl. bestehender Gebäude aus.Link zum Bund: BMWSB - Startseite - Fragen und Antworten zur Kommunalen Wärmeplanung (FAQ) (bund.de)
Für Bürger, Planungsbetroffene und die lokale Wirtschaft gibt die vorliegende Version 1.0 trotzdem erste Hinweise zu Handlungsoptionen im eigenen Quartier oder Baublock. Mit der sukzessiven Fortschreibung und Ausweitung von quartiersspezifischen Detailuntersuchungen, wird die Aussagekraft schrittweise erhöht. Gleichwohl ersetzt die KWP keinen gebäudespezifischen individuellen Sanierungsfahrplan oder gebäudespezifische individuelle Beratungsleistung.

Der ausführliche Abschlussbericht steht Ihnen hier zur Verfügung

Die Präsentation des Stadtplanungsamts und der Stadtwerke bieten eine anschauliche Zusammenfassung

Aufgabenstellung und Herangehensweise der Stadt Backnang

Zu Beginn wurden in der Bestandsanalyse unterschiedliche Daten zur Wärmeversorgung (z.B. Verbrauch, Energiequelle) und der Gebäudestruktur (z.B. Baujahr, Wärmebedarf) ausgewertet. Die Daten stammen aus unterschiedlichen Datenquellen. Vorhandene statistische Datensätze des Bundes und Landes, kommunalspezifische Daten der Stadt und der Stadtwerke Backnang sowie Daten der kommunal tätigen Schornsteinfeger wurden berücksichtigt. Zudem erfolgte eine Befragung der Industrieunternehmen mittels Fragebogen und im Rahmen zweier Workshops. Ebenso wurde die bereits vorhandene Erzeugung aus erneuerbaren Energien in Backnang analysiert.Die Auswertung dieser Daten bildet die Grundlage für die Potentialanalyse. Auf ihrer Basis werden die Potentiale zur Senkung des Wärmebedarfs (Effizienzsteigerung in der Gebäudehülle und der technischen Anlagen) berechnet sowie die Möglichkeiten, Wärme aus Erneuerbaren Energieträgern bereitzustellen, untersucht. Auch der Aufbau von Wärmenetzen, die sich aus Abwärme oder anderen klimaneutralen Quellen speisen, wurde betrachtet.
Auf Basis aller gesammelten Daten und der Analyseergebnisse wurde im dritten Schritt ein Zielszenario erarbeitet, das den Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung bis 2040 aufzeigt. Das Szenario beinhaltet auch Zwischenschritte. Kernstück der KWP bildet die sog. „Wärmewendestrategie“. Hier werden Handlungsmaximen und Maßnahmen definiert, die notwendig sind, um die Wärmeversorgung umzustellen, den Wärmebedarf zu reduzieren und das Ziel 2040 zu erreichen.
Im Auftrag der Stadtverwaltung hat das Bieterkonsortium aus B.A.U.M. und KEEA vier Wärmetische, Quartiersworkshops und Interviews in Backnang durchgeführt und dabei Vertretende aus Industrie, Immobilienwirtschaft, Energieberatung und Stadtverwaltung zusammengebracht. Der sogenannte „Wärmetisch" nahm eine strategische und fachliche Rolle ein. Etwa quartalsweise wurden Zwischenergebnisse bewertet und Lösungsansätze gemeinsam erarbeitet. Ziel dieser Tische war es, lokalspezifisches Wissen rechtzeitig einfließen zu lassen und möglichst früh den Konsens bei Vertretende wichtiger Zielgruppen zu suchen.

Konkret wurden folgende Akteure und Institutionen beteiligt:

  • Verwaltung: Oberbürgermeister, Erster Bürgermeister, Stadtplanungsamt, Hochbauamt, Stabsstelle Klimamanagement, Stabsstelle Wirtschaftsförderung
  • Lokalpolitik: Gemeinderat
  • Energieversorgungsunternehmen: Stadtwerke Backnang, Süwag
  • Unternehmen/Gewerbe/Immobilienwirtschaft: Städtische Wohn Bau Backnang GmbH, ASPA Bauträger GmbH, Immobilien Kuschnertschuk, Adolf Schaal GmbH, Bau Geno Baugenossenschaft Backnang, Bauphysik5, Kreisbaugesellschaft Waiblingen
  • weitere Organisationen: Energieagentur Rems-Murr, Mieterbund Backnang

Die Einbindung der genannten Akteure ermöglichte es, auf die individuellen Gegebenheiten in Backnang einzugehen sowie Interessen, Wünsche und Hindernisse bei der zukünftigen Wärmeversorgung abzufragen. Gleichzeitig erhöht sie die Akzeptanz für die Planungsergebnisse und darauf aufbauenden umzusetzenden Maßnahmen.

Wesentliche Ergebnisse

Der Großteil der Gebäude in Backnang entfällt auf Ein- und Zweifamilienhäuser. Der Innenstadtbereich der Kernstadt und vereinzelt umliegende Ortsteile weisen den ältesten Gebäudebestand auf, während neuere Gebäude eher am Stadtrand vorzufinden sind. Zwischen 2016 und 2020 ist der Erdgasverbrauch der Stadt stetig um etwa 20 % gestiegen. Die Gebäude in den Innenstadtgebieten und in den Gewerbegebieten weisen einen besonders hohen Gasverbrauch auf. Der Stromverbrauch ist hingegen zwischen 2017 und 2020 um etwa 11 % gesunken. Die Verteilung der Hauptwärmeerzeuger in den Gebäuden zeigt, dass in der Kernstadt vorwiegend Erdgas und in den äußeren Ortsteilen sowie am Stadtrand vermehrt Heizöl-Kessel genutzt werden.
Insgesamt beträgt die Wärmenachfrage der Stadt Backnang 440 GWh/a, wovon etwa die Hälfte aus Erdgas (50,4 %) erzeugt wird. Über ein Viertel (28,1 %) stammt aus Heizöl, kleinere Anteile aus Brennholz (0,4 %) und elektrischer Energie (1,9 % inkl. Umweltwärme).
Die meisten Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) verursachen die Energieträger Erdgas und Heizöl, wobei Heizöl trotz des deutlich geringeren Anteils an der Wärmeversorgung der Stadt besonders ins Gewicht fällt. Die Wärme verursacht mit 80 % bedeutend mehr THG-Emissionen als der Strom. Die meiste Wärme wird von den Wohngebäuden benötigt. Die Stadt Backnang produziert zu einem geringen Anteil bereits Strom aus Biomasse und Photovoltaik. Für die lokale Wärmeproduktion nutzt Backnang Anlagen für Festbrennstoffe, Solarthermie und Wärmepumpen. Erdgasbetriebene Blockheizkraftwerke (BHKWs) liefern zusätzliche thermische und elektrische Energie.
Für die Potenzialanalyse wurde zwei Potenzialvarianten bezüglich der Gebäudesanierung berechnet. Es zeigt sich, dass durch tiefgreifende Sanierungsmaßnahmen und Optimierung der technischen Anlagen der Wärmebedarf um 74 % (auf knapp 102 GWh/a) gesenkt werden kann. Dies ist nochmals eine deutlich höhere Einsparung als bei der moderaten Sanierung, bei der der Wärmebedarf etwa um 38 % (knapp 270 GWh/a) reduziert werden kann. Durch den verringerten Wärmebedarf können bereits THG-Emissionen eingespart werden. Um treibhausgasneutral zu werden, muss der verbliebene Strom- und Wärmebedarf schrittweise durch regionale erneuerbare Energien oder Abwärme gedeckt werden. Dazu bedarf es den vermehrten Einsatz von strombetriebenen Wärmepumpen, Direktstrom und Abwärme sowie in geringen Mengen Brennholz. Durch die Gebäudesanierung und die Umstellung auf erneuerbare Energien kann in Backnang langfristig nahezu eine Treibhausgasneutralität erreicht werden.
In Backnang gibt es mehrere Möglichkeiten, den Ausbau und Einsatz erneuerbarer Energien voranzutreiben. Dazu zählt u.a. das PV-Dachflächenpotenzial, das Solarpotenzial der Freiflächen, die potenzielle Energie aus Biomasse, das Abwärmepotenzial aus ortsansässigen Unternehmen und die mögliche Nutzung der Umweltwärme über Wärmepumpen (u.a. mittels Geothermie). Das Potenziale der erneuerbaren Wärmeerzeugung liegt bei 130 GWh/a. Eine Ausdehnung der Potentialuntersuchung erneuerbarer Energien auf das Gebiet der vereinbarten Verwaltungsgemeinschaft (vVG) erfolgt im Rahmen der in Bearbeitung befindlichen interkommunalen Wärmeplanung.
Die Transformation der Wärmeversorgung wird schrittweise erfolgen. Im Zielszenario werden die Entwicklungspfade zur Reduktion der Endenergie von 2020 bis 2040 abgebildet. Dabei werden die Maßnahmen zur Reduktion der Endenergienachfrage über die Gebäudesanierung und die Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien berücksichtigt. Die Reduktion der THG verläuft in Abhängigkeit zu einem sinkenden Endenergieverbrauch, den Einsatz von THG-reduzierten Energieträgern und der Optimierung der Energieumwandlungstechnologien.

Planhinweiskarten

Zusätzlich zum konkreten Maßnahmenkatalog zeigen die sogenannten Planhinweiskarten auf, welche Handlungs- und Technologieoptionen (Wärmenetzgebiete, vorranginge Sanierungsbedarfe, Vorranggebiete für individuelle regenerative Einzelversorgung) für die jeweiligen Baublöcke in Backnang geeignet sind. Die dort errechneten Darstellungen geben erste Hinweise für eine genauere Beurteilung vor Ort. Gleichzeitig wird aus den Planhinweiskarten schrittweise deutlich welche Teile der Stadt Wärmenetzeignungsgebiete sein können. Als Kriterien zur Identifizierung von Wärmeeignungsgebieten dienen:

  • Hohe Wärmeverbrauchsdichte und Ankerkunden mit hoher Wärmeabnahme
  • Potentiell hohe Anschlussquoten erreichbar
  • Transformationspotenzial bestehender Nahwärmenetze
  • Nähe zu Erneuerbaren Potenziale, bzw. Wärmequelle

Auf Basis der Planhinweiskarte Wärmenetzeignung sind zum Teil Machbarkeitsstudien und Netzplanung durch die Stadtwerke in Planung oder Umsetzung.
Im Umkehrschluss sind in den Gebieten mit Vorrang der Einzelversorgung verstärkt individuelle Gebäudesanierungen und Lösungen notwendig, insbesondere in den Gebieten mit schwerpunktmäßig Einzel- und Doppelhausbesatz. Zielgerichtet sind hierfür Energieberatungen und Sanierungsoffensiven notwendig, die nur zum geringen Teil durch die öffentliche Hand geleistet werden kann.